Und wieder steht Duisburg bereit
Während sich Duisburg auf das größte Multisport-Event vorbereitet, das seit über 50 Jahren in Deutschland stattfindet, bestärkt die Stadt ihren hart erarbeiteten Ruf für Zuverlässigkeit – mit einem Blick auf den ‚Summer of '89‘.
Damals war Duisburg als Gastgeber der Universiade geradezu aberwitzig kurzfristig für das brasilianische São Paulo eingesprungen, als niemand sonst sich dazu in der Lage sah, und das trotz starken wirtschaftlichen Gegenwinds im Zuge eines Jahrzehnts des industriellen Niedergangs.
Die Rhine-Ruhr 2025 FISU Games stehen nun in wenigen Tagen an, und Jürgen Gramke, der Mann, der die Universiade 1989 in nur 153 Tagen organisierte, erinnert sich, dass alles mit einem spätabendlichen Anruf des mächtigsten Manns der Sportwelt begann.
Der Spiel(e)macher
„Ich komme an einem Sonntag Anfang März 1989 nach Hause. … Und unsere älteste Tochter … sagt: ‚Du Papa, da ist ein Anruf gewesen.‘ Ich sage: ‚Von wem denn jetzt? Heute, Sonntagabend?‘ ‚Ja, der hat behauptet, er sei Präsident des Internationalen Olympischen Komitees. Und wenn das so richtig heißt, irgendwas mit Sammer.‘ Ich sage: ‚Kann das sein, dass der Samaranch das ist?‘ ‚Ja, könnte sein.‘ ‚Was hast du ihm gesagt?‘ ‚Ich habe gesagt, du bist nicht zu Hause. Er könnte um 22:00 Uhr wieder anrufen.‘”, erzählt der damalige Vorsitzende und heutige Ehrenvorsitzende von „pro Ruhrgebiet“.
In einem Zeitzeugeninterview für das Deutsche Sport & Olympia Museum in Köln, gibt Gramke an, dass er zwei Stunden auf den Rückruf warten musste. Dann hatte er Juan Antonio Samaranch, den langjährigen Präsidenten des IOC an der Strippe.
„Dann rief Samaranch an, um 22:00 Uhr, und sagte: ‚Ich muss Ihnen was erzählen. … Wir haben die Universiade nach São Paulo vergeben und die haben jetzt festgestellt, leider eigentlich schon in den letzten Zügen, dass sie das finanziell und organisatorisch nicht schaffen. … Und dann habe ich in Seoul angerufen, hatte gehofft, da seien noch Teile des Organisationskomitees handlungsfähig. Die haben gesagt: Bei uns ist nichts mehr. Und dann habe ich Chirac in Paris angerufen, ob er nicht … Das würde er so kurzfristig nicht können. Jetzt rufe ich Sie an. Was sagen Sie?‘“
Gramke erbat sich 48 Stunden Bedenkzeit und fing an wie wild herumzutelefonieren: den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Johannes Rau, den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank Alfred Herrhausen, der wiederum den Bundeskanzler Helmut Kohl anrief. Bald stand das finanzielle und politische Gerüst, und das Ruhrgebiet ging aufs Ganze, damit die Universiade erstmals in Deutschland stattfinden konnte.
„Und dann kam der nächste Punkt. … Wo schafft man denn in so kurzer Zeit, also an welchem Ort, diese Spiele? … Wo ist denn die stärkste Verwaltung im Moment?“
Er wandte sich an Dr. Richard Klein, Generalsekretär Duisburg.
„Ich brauche von dir etwa 2.000 Leute. Wo immer du die herkriegst. Wir haben ja nur so wenig Zeit. Geld werden wir genug haben.“
Der Möglich-Macher
Klein wiederum wandte sich an Heinz-Gerd Janßen, damals Stellvertretender Leiter des Duisburger Werbeamts. In seinem Zeitzeugeninterview für das Deutsche Sport & Olympia Museum beschreibt Janßen die Ausgangslage: „Das war ganz kurios.”
„Mein Chef kam irgendwann zu mir und sagte: ‚Hömma, das darfst du nicht weitersagen, das behältst du für dich! Da ist was im Raum, da kann ich nicht darüber sprechen – Universiade.‘“
„Da hatte ich noch nie von gehört. Das hörte sich aber so nach Studenten und Universität an. Wenn man dann im Lexikon nachschlug, hat man das gefunden. … Wir in Duisburg haben natürlich gesagt: ‚Die ganze Universiade, die können wir nicht stemmen.‘ Es sind ja über 20 Sportdisziplinen dort vertreten. … Und so ist dann die Idee entstanden, eine sogenannte Rumpf-Universiade zu machen.“
Vorhandene Sportstätten wurden für ein zusammengestutztes Programm mit vier Sportarten ausfindig gemacht: Leichtathletik, Basketball, Fechten und Rudern.
„Die Organisationszeit war eine wunderschöne Zeit.“, erinnert sich Janßen. „Sie brauchten nicht mehr viel diskutieren, es musste gehandelt werden. … Es wurde innerhalb kürzester Zeit alles aufgebauscht und schön gemacht. … Und es ist auch eine wunderschöne Veranstaltung geworden. … Es waren auch namhafte Sportler da, eine unheimliche Stimmung war das.“
Der Star
Von den anwesenden 2.600 Studentensportler:innen war die wohl bekannteste Sabine Braun, die bereits bei den Olympischen Spielen von 1984 und 1988 für Deutschland im Siebenkampf angetreten war. Sie erinnert sich, wie ihre Silbermedaille in Duisburg 1989 ihrer Karriere neuen Schwung verlieh.
„Ich war nicht sonderlich gut bei der Olympischen Spielen 1988 gewesen, also half es mir schon sehr, bei einem internationalem Wettkampf in Topform zu sein und eine Medaille zu gewinnen.“, sagt Braun gegenüber Rhine-Ruhr 2025.
„An einer solch großen Veranstaltung vor der eigenen Haustür teilzunehmen, wo man zu Hause schläft und Heimvorteil genießt, ist natürlich etwas anderes. Meine Freunde konnten kommen, meine Familie war da und hat mich unterstützt, und es herrschte eine wirklich entspannte Atmosphäre im Stadion.“
Braun weiß, dass die Menschen im Ruhrgebiet genau wie 1989 hinter den FISU Games stehen werden, insbesondere im umgebauten Lohrheidestadion, wo ihr Leichtathletikverein, der TV Wattenscheid 01, zu Hause ist.
„Das ist schon ein besonderer Menschenschlag”, sagt Braun. „Sie sind sehr offen und ehrlich, mitunter vielleicht etwas zu direkt, aber selten böswillig. Daher scheint es umso passender, dass das Ruhrgebiet und Berlin mehr oder weniger zusammen Gastgeber der Spiele sind.“
36 Jahre nach dem mehr als kurzfristigen Erfolg, sind Duisburg und sein derzeitiger Bürgermeister Sören Link bereit, es noch besser zu machen.
„Ich bin mir sicher, dass unsere Stadt abermals zeigen wird, wie sehr sie den Sport liebt, und die Menschen hier werden die Sportler:innen mit offenen Armen empfangen“, sagt er. „Der Fackellauf hat uns schon einen Vorgeschmack geliefert und bewiesen: Duisburg ist bereit für die Spiele.“
Duisburg trägt während der Rhine-Ruhr 2025 FISU Games die Sportarten Basketball, Beach Volleyball, Rudern und Wasserball aus. Tickets erhalten Sie hier
Die Zeitzeugeninterviews mit Jürgen Gramke und Heinz-Gerd Janßen führte Prof. Jürgen Mittag als Teil des Oral History Projekts Zeitzeugen im Sport – Gedächtnisspeicher zu Menschen im Sport in NRW’ am Deutschen Sport & Olympia Museum
Fotos: © FISU